In Anbetracht neuerlich entbrannter politischer Debatten um sogenannte „bettelfreie Zonen“ und ein Anmeldesystem für bettelnde Menschen in Innsbruck zeigt sich die Bettellobby Tirol noch mehr erfreut darüber, dass der diesjährige Preis zur Wahrung und Erhaltung der Menschenrechte von der Österreichischen Liga für Menschenrechte an die österreichischen BettelLobbys verliehen wird, „stellvertretend für alle Initiativen, die sich gegen Bettelverbote und einen solidarischen und respektvollen Umgang mit bettelnden Menschen einsetzen“.
Mit Entsetzen beobachten wir, dass die Rechte von armutsbetroffenen Menschen, die ihre Meinung im öffentlichen Raum kundtun, indem sie auf ihre Notlage hinweisen, kaum ernstgenommen werden. Gerade jetzt in der Weihnachtszeit, in der Christkindlmärkte die Konsumwelt ankurbeln sollen, werden bettelnde Menschen von Seiten der Politik verstärkt zu Störfaktoren erklärt und Ängste geschürt: Eine direkte Konfrontation mit Armut hat in vorweihnachtlichem Trubel und Einkaufseuphorie keinen Platz – auch wenn viele Menschen besonders zu dieser Zeit gerne zum Geben bereit sind.
„Jetzt schon ums Betteln betteln müssen“, lautet ein Text der Lyrikerin Barbara Hundegger, der im Zuge einer unserer Interventionen gegen Bettelverbote gemeinsam mit der Initiative Minderheiten in der Innsbrucker Innenstadt veröffentlicht wurde. Dieses Gefühl, welches Barbara Hundegger hier beschreibt, begleitet unsere Arbeit im öffentlichen Raum immer wieder. Beleidigungen, Schikanen, Vertreibung und Bestrafung von armutsbetroffenen Menschen stehen in Österreich auf der Tagesordnung und sind ein beschämendes gesellschaftliches Armutszeugnis im 21. Jahrhundert.
„Wenn immer wieder Bettelverbote verlangt oder auch angeordnet werden, ist dies nichts anderes als ein untauglicher Versuch, die Ungleichheit in der Gesellschaft auf Kosten der Ärmsten zu tabuisieren und unsichtbar zu machen. Ganz nach dem Motto: Aus dem Auge aus dem Sinn! Das verletzt aber die Würde jener Menschen, die aus dem Straßenbild verbannt werden sollen. Ganz im Gegenteil ist es notwendig, dass sich die Gesellschaft dem Problem der Armut stellt und dieses bekämpft“, so Barbara Helige, Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte.
Nachdem der österreichische Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass Betteln in Österreich grundsätzlich erlaubt sein muss, sind seit Mitte Januar 2014 neue Bestimmungen in Tirol in Kraft. Ein Blick auf die derzeitige Vollzugspraxis zeigt aber, dass Menschen in Tirol schon bestraft werden, weil sie etwa innerhalb von kurzer Zeit dreimal beim Betteln angetroffen werden oder Passant_innen um eine Spende ansprechen.
Betteln steht jedoch unter dem Schutz der Freiheit auf Meinungsäußerung. Sprich: Es muss definitiv erlaubt sein, seine Situation als Bettelnde_r kundzutun und darauf aufmerksam zu machen – auch am Innsbrucker Christkindlmarkt. Der Menschenrechtspreis bestärkt uns im Engagement, das Recht zu betteln weiterhin zu verteidigen.