Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit und Armut müssen bekämpft statt bestraft werden
Auf die Tatsache, dass immer mehr Menschen in Tirol kein Dach über dem Kopf haben, will nun die Innsbrucker Stadtpolitik neben der Schaffung einer ganzjährigen Notschlafstelle mit einem Verbot reagieren. Menschen, die die Nächte auf der Straße verbringen, sollen in Zukunft per Verordnung dafür bestraft werden können.
Dies fügt sich ein in eine Reihe von Maßnahmen wie dem Bettel- und Alkoholverbot, verstärkten Säuberungsaktionen, die darauf abzielen, armutsbetroffene Menschen aus dem öffentlichen Raum zu verdrängen und aus dem Blickfeld der Gesellschaft zu verbannen. Das Schlafverbot auf den Straßen der Innsbrucker Innenstadt ist unserer Meinung nach ein weiteres Zeichen einer Politik, die unter dem Druck der Geschäftsleute zunehmend auf dem Rücken von sozial Schwächeren ausgetragen wird und das gesellschaftspolitische Klima verschärft.
Innsbruck wird seinen Ruf als offene Weltstadt damit weiter schädigen und mit einer derartigen Verordnung für negative Schlagzeilen auch außerhalb von Österreich sorgen. Bedenken an der Verfassungskonformität drängen sich auf. Die geplante Verordnung wird mit dem scheinheiligen Argument gerechtfertigt, garantieren zu wollen, dass niemand mehr auf Innsbrucks Straßen schlafen müsse.
Die Schaffung einer ganzjährigen Notschlafstelle ist zwar ein längst überfälliger und begrüßenswerter Schritt, der seit Jahren von verschiedenen sozialpolitischen Vereinen gefordert wird. Erst der Druck der Geschäftsleute scheint Argument genug zu sein, um diese ganzjährige Notschlafstelle (neben der derzeit nur noch einen Winter-Notschlafstelle mit 30 Plätzen) nun endlich einzurichten. Trotz der jahrelangen Problematik passiert dies ad hoc, ohne ein Konzept mit unterschiedlichen Blickwinkeln erfahrener Vereine zu erarbeiten. Dass die neue Notunterkunft den Bedarf an Schafplätzen decken wird, muss bezweifelt werden. Das Angebot von Notschlafplätzen mit einer Verordnung zu verknüpfen, die Obdachlosigkeit mit Geldstrafe (und kann diese nicht bezahlt werden, mit Ersatzfreiheitsstrafe) bestraft, ist aber jedenfalls eine zynische Verbindung.
Neben vielen ungeklärten Fragen zu dieser Notschlafstelle (Anzahl der Plätze, Rahmenbedingungen, …) stellen wir, die Bettellobby Tirol, folgende Fragen: Was passiert, wenn die Notschlafstellen überfüllt sind und Leute ungewollt auf der Straße stehen? Was passiert mit jenen, die aus psycho/sozialen Gründen nicht in einer Notschlafstelle nächtigen wollen oder können und ihre letzte Selbstbestimmtheit nutzen und die Straße wählen?
Wer Obdach-/Wohnungslosigkeit und Armut in ihren verschiedenen Ausformungen bekämpfen möchte, muss:
- billigen und leicht verfügbaren Wohnraum schaffen,
- Arbeitsplätze schaffen, von deren Lohn Menschen leben können,
- Sozialgesetze erlassen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen (Stichwort: Debatten zur Mindestsicherung)
- Sozialvereine, die tagtäglich und seit vielen Jahren mit obdach- und wohnungslosen Menschen zu tun haben, mit der Konzeptschreibung und Umsetzung von Notschlafstellen und Notwohnungen beauftragen und eine gute Finanzierung über Jahre sichern.
- Sozialarbeit aufstocken anstatt jedes Jahr ein ungnädiges Spiel um Minimalbeträge zu starten (Stichwort: Tiroler Sozialvereine und drohende Kürzungen)
Auf Beschluss des Innsbrucker Gemeinderates wurde eine ExpertInnengruppe eingerichtet, die gemeinsam Lösungen für einen menschenrechtskonformen Umgang mit bettelnden Menschen erarbeiten solle. Dass diese geplante Verordnung nun auch unter diesem Deckmantel erfolgt, ist frevelhaft und zeigt, dass jene Menschen, die dieses Verbot forcieren, wenig aus der Geschichte gelernt haben. Armut und Obdachlosigkeit darf nicht verboten und bestraft, sondern muss bekämpft werden. Es ist bedauerlich, dass man weiterhin vorwiegend auf einen restriktiven Umgang mit armutsbetroffenen Menschen setzt. Sicherheits- und ordnungspolitische Maßnahmen sind keine Lösung für eine Problematik, die strukturelle Ursachen hat.
Die Bettellobby Tirol fordert
- einen solidarischen und respektvollen Umgang mit armutsbetroffenen Menschen.
- einen öffentlichen Raum, welcher für alle nutzbar und zugänglich ist.
- eine zukunftsorientierte, an den Grundrechten orientierte Praxis, welche sich gegen Verbote und soziale Ausgrenzung richtet.