Die Bettellobbys setzen sich für die Abschaffung aller Bettelverbote und einen menschenwürdigen Umgang mit bettelnden und notreisenden Menschen ein.

Nachgefragt: Michael Hämmerle über die aktuelle Lage der Notreisenden in Vorarlberg

 

Kaplan Bonetti, Portrait, DornbirnMichael Hämmerle ist Sozialarbeiter und leitet die Beratungsstelle Kaplan Bonetti in Dornbirn. Zudem koordiniert er eine seit etwas mehr als einem Jahr bestehende Arbeitsgruppe „Notreisende“ der ARGE Wohnungslosenhilfe, einem Vernetzungsgremium aller Vorarlberger Wohnungslosenhilfseinrichtungen.

Im Ländle geht es gerade rund, was das Betteln betrifft. Was ist los?

MH: Die aktuelle Politik im Land und den Gemeinden setzt fast ausschließlich auf Vertreibung. Sie ist überzeugt, dass notreisenden Menschen nur in der Herkunftsregion geholfen werden kann. Manche Gemeinden haben kleinere Geldbeträge für Sozialprojekte in den Herkunftsstädten bereitgestellt. In weiterer Folge wurden Zeltlager zwangsweise abgebrochen, es werden Zugtickets nach Rumänien bzw. Italien bezahlt, es gibt die Androhung von zwangsweiser Kindesabnahme, falls sie nicht wieder heimreisen sollten und es wird nach wie vor sehr hart und unverhältnismäßig gestraft. Mehrere Städte diskutieren Campier-Verordnungen und sektorale Bettelverbote oder haben diese schon umgesetzt, wie zum Beispiel Dornbirn. Im Landtagsausschuss wurde zudem beschlossen, das Betteln mit Kindern generell unter Strafe zu stellen. Bisher war die strafbare Handlung an die Mitwirkung des Kindes gebunden. Gleichzeitig wurde die Fachhochschule Vorarlberg beauftragt in einer Studie die Lebenswelt der Notreisenden zu erforschen. Wir erhoffen uns davon wichtige Schritte in Richtung einer sozialpolitischen Diskussion, weg vom Sicherheitsthema hin zu pragmatischen Lösungen.

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Kurzfilm Betteln. Menschen. Rechte

Foto: Monika Zanolin

Jetzt auch online: Der Film „Betteln. Menschen. Rechte“ der Initiative Minderheiten Tirol gibt einen Einblick in Lebensbedingungen, Sichtweisen und Perspektiven bettelnder Menschen – ein Film, der jenen Menschen eine Stimme gibt, die selten gehört werden und so gut wie nie in der politisch-medialen Öffentlichkeit zu Wort kommen.

(AT 2015, OmU, 21 Min., Regie: Monika K. Zanolin)

Hier steht der Film in zwei Versionen zur Verfügung: Als mehrsprachige Originalversion mit Untertiteln sowie als Version mit Voice Over ohne Untertitel.

Mitschnitt des Erzählcafé mit Linzer Bettler*innen online

Bettlerinnen und Bettler sind immer wieder in den Schlagzeilen. Es wird viel ÜBER sie geschrieben und gesprochen, jedoch wenig MIT ihnen. Wir  finden das verkehrt und haben daher im Rahmen von mehreren Erzählcafés eingeladen, mit Menschen, die in Linz durch Betteln ihren Lebensunterhalt verdienen, ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und Hintergründe zu erfahren. Das letzte Erzählcafe wurde von DorfTV aufgezeichnet, der Mitschnitt kann hier angesehen werden:

Das Erzählcafe fand in Kooperation mit Radio FRO, dem Diakoniewerk OÖ, dem Verein Land der Menschen – Aufeinander Zugehen OÖ, dem Verein SOS-Menschenrechte und der Volkshilfe OÖ am 15. September 2015 in Linz statt.

Das Format des Erzählcafes kann auf Anfrage auch mit ihrer Organisation durchgeführt werden. Bitte nehmen sie dafür einfach Kontakt mit uns auf.

Wo die BettlerInnen wohnen

Tagsüber sitzen sie in der Fußgängerzone. Nachts schlafen sie in Abbruchhäusern oder in Zelten neben der Autobahn. Bis sie vertrieben werden. Eine Spurensuche in Linz.

Die Polizei kam in der Früh, um das «Bettlerhaus» in Linz zu räumen. Mit dabei Stadtwache, Rotes Kreuz, Jugendamt, SozialarbeiterInnen. Allesamt Profis, doch die Zustände in dem abbruchreifen Haus schockierten selbst die Abgebrühtesten. Mitten in Linz stießen sie auf Wohnverhältnisse, wie man sie in Europa eigentlich nicht mehr kennt. Kein Strom, kein Wasser, keine Heizung. Die Notdurft wurde einfach in zwei der Zimmer verrichtet. Der Gestank war nur schwer auszuhalten, lebten dort doch an die 100 Menschen ein halbes Jahr. Immer wieder kam es zu Konflikten zwischen den BewohnerInnen, die meist aus Rumänien und der Slowakei stammten.

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Eine Kartei über Menschen die betteln

Stilles Betteln ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht. Oberösterreich könnte aber einen Weg gefunden haben, es zu verweigern.

Seit April hat Oberösterreich eine eigene Datenbank für Bettler­Innen. Darin können laut Landesregierung ab sofort alle bettelnden Menschen mit ihren persönlichen Daten und einem Foto erfasst werden, egal ob sie eine erlaubte oder eine unerlaubte Form des Bettelns ausüben. Mit der Datenbank sollen sogenannte „gewerbliche“ BettlerInnen identifiziert und überführt werden. „Gewerbliches Betteln“ liegt laut Begleittext des Gesetzes unter anderem dann vor, „wenn das Betteln geplant, regelmäßig, also wiederholt oder in Wiederholungsabsicht“ betrieben wird, auch wenn es sich dabei um stilles und somit legales Betteln handelt. Wird das Gesetz wirklich so angewendet, hätte Oberösterreich de facto etwas durchgesetzt, was der Verfassungsgerichtshof in anderen Bundesländern bislang immer aufgehoben hat: ein absolutes Bettelverbot und damit ein wirksames Instrument zur Verdrängung von osteuropäischen Armutsreisenden. Das verschärfte Bettelverbot könnte der traurige Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung sein, in der der Spielraum für legales Betteln sukzessive eingeschränkt wurde. Die Maßnahmen richten sich gezielt gegen Menschen aus Osteuropa, die auf der Suche nach Arbeit hierher kommen, aber meist keine andere Möglichkeit haben, als zu betteln. Es ist eine Art „negativer Standortwettbewerb“ im Gange, in dem die größeren Städte versuchen, die Rahmenbedingungen für Armutsreisende immer unattraktiver zu gestalten – in der Hoffnung, sie dadurch fernzuhalten. Denn ihre Anwesenheit wird als störend empfunden, konfrontieren sie doch die Bevölkerung mit einer Art von Armut, die bei uns längst in Vergessenheit geraten ist.

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Betteln ist erlaubt! Ratgeber für bettelnde Menschen und UnterstützerInnen in Tirol

„Betteln ist erlaubt! Rechte – Informationen – Unterstützung“ heißt ein Ratgeber für bettelnde Menschen und UnterstützerInnen, den die Bettellobby Tirol, der Verein für Obdachlose, die Initiative Minderheiten Tirol und FREIRAD, das Freie Radio Innsbruck der Öffentlichkeit präsentieren. Der neue Ratgeber liegt in sechs Sprachen vor, in deutsch, englisch, rumänisch, ungarisch, bulgarisch und slowakisch. Die Broschüre informiert über Rechte von bettelnden Menschen, über das, was erlaubt ist und was verboten ist, über konkrete Hilfsangebote und Anlaufstellen in Innsbruck, veranschaulicht mit einem Stadtplan.

Zum Ratgeber geht es hier  Weiterlesen

Nachgefragt: Sozialwissenschafter Heinz Schoibl zum sektoralen Bettelverbot in Salzburg und den Widerstand dagegen.

Heinz Schoibl ist freiberuflicher Sozialpsychologe aus Salzburg und hat mit der Studie „Notreisende und Bettel-MigrantInnen in Salzburg“ eine der ersten Untersuchungen zum Thema vorgelegt. Für das Projekt „Auf Augenhöhe“ hat er Notreisende in Salzburg portraitiert, wie hier zu sehen. Wir haben ihn zur aktuellen Lage in Salzburg befragt.

Seit Anfang Juni gibt es ein sektorales Bettelverbot in großen Teilen der Salzburger Innenstadt. Welche Formen von Betteln sind genau verboten?

HS: Im innerstädtischen Bereich rund um die Getreidegasse, die beiden zentralen Brücken und im Kommunalfriedhof gilt während der Geschäftszeiten ein dauerhaftes totales Bettelverbot, das auch das stille Betteln unter Strafe stellt. Temporäre Bettelverbote gibt es zudem für die Wochenmärkte am Mirabellplatz sowie am Gelände der Salzburg Mitte.

Wie wirkt sich das Verbot bislang auf die Lage der Armutsreisenden aus?

HS: Die Auswirkungen auf die bettelnden Notreisenden sind bis dato eher bescheiden und liegen eher auf der emotionalen Ebene der Verunsicherung, der Angst vor Vertreibung sowie dem Bewusstsein, dass sie nicht willkommen sind.

Wie viele Menschen sind davon betroffen und wo kommen sie her?

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Innsbruck: WEGSCHAUEN STADT HELFEN – Kundgebung gegen das Bettelverbot am 16.6.2015

Dienstag, 16. Juni, ab 17 Uhr
Annasäule, Innsbruck (Maria-Theresienstraße)

Eine weltoffene Stadt ist eine Stadt ohne Bettelverbot!

Innsbruck sei Weltstadt, heißt es. Gerne betont BGM Oppitz-Plörer, dass die Alpenmetropole eine weltoffene Stadt sei. Stadtmarketing, Tourismusverband und Wirtschaftskammer polieren dieses Image und gehen damit hausieren. Doch wie weltoffen ist die Stadt, wenn es um die Not der Menschen geht? Wie offen geht sie mit denen um, die täglich auf der Straße sitzen und sich ihren Lebensunterhalt mühsam erbetteln müssen? Weiterlesen

Bettelnde Menschen in Innsbruck. Die Kriminalisierung eines Menschenrechts

Radiosendung: Innsbruck ist neben Salzburg die einzige Landeshauptstadt, die temporäre Bettelverbote für die Innenstadt beschlossen hat. Welche Auswirkungen das auf die betroffenen Menschen hat und welche Formen des Widerstandes es dagegen gibt, darüber spricht FREIRAD – Freies Radio Innsbruck mit Vertreter_innen der Bettel-Lobby Tirol und dem Verein für Obdachlose. Christina Streitberger hat dazu auch Stimmen der Innsbrucker Bevölkerung eingefangen und Selina Mittermeier hat mit Innsbrucks Stadtpolizeikomandanten Martin Kirchler gesprochen. Weiterlesen

Ost-Slowakei: „Die soziale Situation der Roma wird täglich schlechter“ – Besuch in der Heimat der „Bettler von Vöcklabruck“

Ost-Slowakei: „Die soziale Situation der Roma wird täglich schlechter“
Besuch in der Heimat der „Bettler von Vöcklabruck“
Arbeitslosigkeit, desolate Häuser, verseuchtes Trinkwasser. Das sind einige der Lebensbedingungen der Roma in der Ost-Slowakei. Da die staatliche Sozialhilfe nicht zum Leben reicht, gibt es immer mehr Roma, die nach Deutschland, Italien oder Österreich betteln kommen. Auch in Vöcklabruck suchen rund 15 Männer aus dem Landkreis Rimavská Sobota als Bettler, Pantomimen und Musiker Unterstützung. Eine Gruppe des Armutsnetzwerkes besuchte im Mai die Heimat der „Bettler von Vöcklabruck“, um sich über deren Lebenssituation zu informieren.