Die Bettellobbys setzen sich für die Abschaffung aller Bettelverbote und einen menschenwürdigen Umgang mit bettelnden und notreisenden Menschen ein.

Stadtwache Linz schikaniert Bettler – und die Polizei spielt mit!

Am 10. Juli wurden zwei rumänische Jugendliche am Linzer Schillerplatz von der Stadtwache angehalten. Der eine, Mihai, 14 Jahre alt und der andere, Bobi, gerade einmal 18. Ihr Vergehen: Sie haben gebettelt. Nicht aggressiv, sondern ruhig und höflich. Da Mihai aber minderjährig ist, wurde dem 18-jähigen Bobi vorgeworfen, beim Betteln „eine unmündige Person mitgeführt“ zu haben. Etwas, das nach der Bettelverordnung des Landes Oberösterreich (angeblich) verboten ist.

Die „Organe des Ordnungsdienstes“ nahmen den beiden Jugendlichen ihre Barschaft ab und tätigten einen Anruf bei der Bundespolizeidirektion. Diese verfasste nach den Angaben der Stadtwächter (ohne eigene Prüfung) eine Strafverfügung und schickte einen Beamten damit los, um sie dem straffällig gewordenen 18-jährigen auszuhändigen. 100 Euro oder 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe. Dass Bobi kein Wort Deutsch spricht und gar nicht weiß wie ihm geschieht, stört nicht.

Der ganze Ablauf dauerte nicht länger als 40 Minuten. Sehr effizient, nur wurde übersehen, dass es eine völlige Fehlentscheidung war. Im Oberösterreichischen Polizeistrafgesetz heißt es nämlich: „Wer  in  aufdringlicher  oder  aggressiver  Weise,  wie  durch  Anfassen  oder  unaufgefordertes Begleiten oder Beschimpfen, um Geld oder geldwerte Sachen an einem öffentlichen Ort bettelt (…) begeht eine Verwaltungsübertretung.“ (§1a. Abs.1).

Es ist also nur „aggressives“ Betteln verboten. Das Recht auf Betteln ist durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützt (Artikel 8). Dies stellte auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Entscheid vom 30. 6. 2012 klar. Konkret wurde Bobi ein Verstoß gegen § 1a Abs.3 vorgeworfen: „Wer eine unmündige minderjährige Person beim Betteln im Sinn des Abs. 1, in welcher Form auch immer, mitführt, begeht eine Verwaltungsübertretung.“

Ergo: Das Mitführen „unmündiger, minderjähriger Personen“ ist nur dann verboten, wenn so gebettelt wird wie in Absatz 1 beschrieben – also mittels anfassen, beschimpfen usw.
Das hätte Bobi in einem Einspruch vorbringen können. Wenn er des Deutschen mächtig gewesen wäre und Zugang zu Rechtstexten gehabt hätte. Er wählte aber die für ihn einzig mögliche Variante, sich der Strafe zu entziehen – er tauchte unter.

Natürlich gehört dieses Bettelverbot zur Gänze weg, und natürlich gehören alle Verantwortlichen, von Stadtrat Wimmer bis Bürgermeister Dobusch, durch Sonne und Mond gewatscht. Aber bis es soweit ist, sollten die bestehenden Einspruchsmöglichkeiten genutzt werden. Dem Vernehmen nach schreiben die Leute von Radio FRO (Kirchengasse 4) für Betroffene gerne Einsprüche.

Weiter gegen jede Form von Bettelverboten

Schwammige Gesetzesbestimmungen gefährden das Recht auf „stilles Betteln“!

Der Verfassungsgerichtshof hat heute die Klage von SPÖ und Grüne gegen das vom OÖ Landtag beschlossene Bettelverbot abgewiesen. Laut VfGH ist es zulässig bestimmte Formen des Bettelns zu verbieten, wie das beim OÖ Bettelverbot der Fall ist.

Seit Bestehen des Oö. Bettelverbotes hat aber sich gezeigt, dass sich die rechtliche Situation der BettlerInnen in OÖ kurioserweise verbessert hat, denn das „stille“ Betteln, das zuvor – als Verstoß gegen das Oö. Sammlungsgesetz – regelmäßig bestraft wurde, ist nun explizit gestattet. Insofern halten wir das Oö. Polizeistrafgesetz sogar für einen Fortschritt.

Das Verbot von „aggressivem“ und „organisiertem“ Betteln ist laut VfGH verfassungskonform. Diese Verbote halten wir aufgrund ihrer schwammigen Beschreibung im Oö. Polizeistrafgesetz weiterhin als sehr problematisch. Sie können – bei strenger Auslegung – als Einladung zu einer unsachlichen und willkürlichen Gesetzesanwendung verstanden werden und so das verfassungsgemäß erlaubte Betteln einschränken.

Die Bettellobby OÖ spricht sich weiterhin für die Abschaffung aller Bettelverbote aus: Soziale Probleme können nicht durch die Kriminalisierung von armen Menschen gelöst werden. Es gilt die Armut zu bekämpfen und nicht die Armen! Sollte es im Zusammenhang mit dem Betteln zu Nötigung oder Menschenhandel kommen, gibt es dafür entsprechende Gesetze im Strafrecht.

Außerdem möchten wir bekanntgeben, dass die Bettellobby OÖ neben Organisationen aus Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien Teil des neugegründeten Netzwerks „Österreichisches Forum gegen Bettelverbote“ ist, das am 20. Juni in Graz gegründet wurde. Damit wird es in Zukunft einen noch intensiveren Austausch und eine koordinierte Zusammenarbeit regionaler Initiativen und Persönlichkeiten gegen Bettelverbote geben. Die Einbindung weiterer Bundesländer und Initiativen ist geplant.

In den kommenden Wochen wird unter www.gegenbettelverbote.at eine eigene Website mit weiterführenden Informationen zum Thema Betteln und Bettelverbote in Österreich erstellt.

Ab Herbst sind weitere Vernetzungstreffen und österreichweite Aktionen geplant.

 

Gründung des Österreichischen Forums gegen Bettelverbote

Beim 1. österr. Vernetzungstreffen von BettelverbotsgegnerInnen und Bettellobbies aus den Bundesländern Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Wien wurde am 20. Juni 2012 in Graz das „Österreichische Forum gegen Bettelverbote“ gegründet.

Damit wird es in Zukunft einen noch intensiveren Austausch und eine koordinierte Zusammenarbeit regionaler Initiativen und Persönlichkeiten gegen Bettelverbote geben. Die Einbindung weiterer Bundesländer und Initiativen ist geplant. Vorrangiges Ziel des „Österreichischen Forums gegen Bettelverbote“ ist – auch in Hinsicht auf die für Herbst 2012 erwarteten Verfassungsgerichtshofurteile zu den Bundesländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Wien – die ersatzlose Aufhebung der derzeit auf Ländergesetzen und kommunalen Verordnungen basierenden Bettelverbote. Neben gemeinsamen Forderungen des „Österreichischen Forums gegen Bettelverbote“ wird in den kommenden Wochen unter www.gegenbettelverbote.at eine eigene Website mit weiterführenden Informationen zum Thema Betteln und Bettelverbote in Österreich erstellt.

Ab Herbst sind weitere Vernetzungstreffen und österreichweite Aktionen geplant.

Lokale Gruppen:

Für Rückfragen:
Mag. Joachim Hainzl, kontakt@gegenbettelverbote.at; Tel. 0699-10390453

‎Die Forderungen

Österreichisches Forum gegen Bettelverbote – Unsere Forderungen

1. Wir fordern die ersatzlose Abschaffung von Bettelverboten.

  • Bettelverbote widersprechen aus menschen- und grundrechtlicher Perspektive dem Recht auf Privatleben, welches die Freiheit der Lebensgestaltung und Erwerbsfreiheit umfasst.
  • Betteln ist für viele Menschen die einzige Möglichkeit zur Selbsthilfe. Für jene, die spenden, ist es eine Möglichkeit zur Umverteilung – freiwillig, ohne Verwaltungsaufwand, ohne staatliche Einmischung. Direkte Hilfeleistung gehört zu den selbstverständlichen sozialen Taten in einer freien Gesellschaft.
  • Sollte es im Zusammenhang mit Betteln tatsächlich zur Verletzung von Menschenrechten, Kindeswohl, zu Nötigung oder Menschenhandel kommen, sind dafür die entsprechenden Gesetze anzuwenden. Eine gesetzliche Parallelstruktur für marginalisierte Gruppen lehnen wir strikt ab.
  • „Grundrechte, die auch Minderheitenrechte sind, und damit auch Bettler/innen betreffen, unterliegen keiner demokratischen Abstimmung“

2. Wir fordern ein Ende der Kriminalisierung von bettelnden Menschen und einen differenzierten Umgang mit dem Thema Betteln.

  • Wir wenden uns gegen Verbote auf Basis moralisierender und verallgemeinernder Schuldzuweisungen und schwammigen Begriffen wie „Anstand“ oder „Schicklichkeit“.
  • Diskriminierende und rassistische Diskurse sind zu ächten, vor allem im Bereich der Politik und medialen Berichterstattung.
  • Wir verurteilen die Praxis von Politik, Exekutive und Behörden, mit der Gesetze und Vorschriften (z.B. StvO, Arbeitsrecht, Aufenthaltsrecht, Verordnungen zu Straßenmusik und Sammelwesen) willkürlich bzw. gezielt gegen bettelnde Personen eingesetzt werden.
  • Die Verknüpfung von „Betteln“ und „Sicherheit“ in Landessicherheitsgesetzen und Polizeistrafgesetzen suggeriert fälschlicherweise eine Gefahr welche von bettelnden Menschen ausginge. Die Aussage, mit Bettelverboten angeblich Bettelnde zu schützen, kann daher als lediglich vorgeschobenes Argument gewertet werden.
  • Solidarischen Handeln und Aktivitäten zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen durch bettelnde Personen (wie das Bilden von Fahrgemeinschaften u.a.) sind legitim.

3. Wir fordern einen solidarischen und respektvollen Umgang mit bettelnden Menschen.

  • Wir verurteilen jedwedes aggressives oder gewalttätiges Verhalten gegenüber bettelnden Personen.
  • Bei Übergriffen auf Bettelnde ist zivilcouragiert einzuschreiten. Dokumentieren Sie das Geschehene und melden Sie den Vorfall (Polizei, Antidiskriminierungsstelle, Österreichisches Bettelforum, …).
  • Wir fordern auch für bettelnde Personen das Angebot von Rechtsberatung und juristischem Beistand.
  • Wir unterstützen private Personen und Einrichtungen, welche Betteln in ihren Bereichen erlauben.
  • Personen, welche betteln, sind nicht auf diese Handlung zu reduzieren. Auch diese Personen haben u.a. ein Recht auf Datenschutz und Schutz ihrer Privatsphäre.
  • In Österreich betteln Menschen aus unterschiedlichsten soziokulturellen Milieus. Deshalb verwehren wir uns gegen ethnisierende und kulturalisierende Erklärungsmuster von bettelnden Menschen.

4. Wir fordern einen öffentlichen Raum, welcher für alle nutzbar und zugänglich ist.

  • Wir sind gegen die Vertreibung von bettelnden Personen von öffentlichem Grund und Einrichtungen.
  • Kein Einsatz privater Sicherheitsdienste gegenüber Bettelnden im öffentlichen Raum. Derartige bereits existierende Praktiken sind sofort einzustellen.
  • Öffentliche Mittel dürfen nicht für den Einsatz ortspolizeilicher Wachkörper zur Vertreibung bettelnder Menschen eingesetzt werden.
  • Wir treten dafür ein, dass soziale Konflikte im öffentlichen Raum (im Zusammenhang mit bettelnden Menschen und damit konfrontierten PassantInnen, AnrainerInnen etc.) wahr- und ernstgenommen werden. Zum Umgang damit sind Strategien sozialer Deeskalation (Mediation, Sozialarbeit etc.) einzusetzen und nicht ordnungspolitische Maßnahmen.

5. Wir fordern eine zukunftsorientierte, an den Grundrechten orientierte Praxis, welche sich gegen Verbote und soziale Ausgrenzung richtet.

  • Wir fordern ein Ende jener restriktiven Praktiken, welche seit mehreren Jahrhunderten beinahe unverändert gegen bettelnde Menschen eingesetzt werden.
  • Wir fordern von Politik, Behörden, Medien und Öffentlichkeit einen rassismus- und diskriminierungsfreien Umgang mit bettelnden Menschen, welcher sich den Menschen- und Grundrechten verpflichtet fühlt.
  • Der Umgang mit bettelnden Personen ist nicht zu trennen von der allgemeinen Armutspolitik. Die Ursachen von Armut müssen bekämpft werden, nicht die Armen! Statt BettlerInnen zu vertreiben, sollten die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen, die Armut bedingen, auf lokaler und internationaler Ebene geändert werden.

Graz, im Juni 2012

Aktion gegen Bettelverbote der Bettellobby Wien

Seit 27. Februar 2012 behandelt der Verfassungsgerichtshof in Wien die
Verfassungsklagen gegen die Bettelverbote in Wien und Oberösterreich.
Die nächste Verhandlung zum oberösterreichischen Bettelverbot am
Freitag, den 9. März, wird öffentlich sein. Dazu organisiert die
Bettellobby Wien eine Aktion vor dem Verfassungsgerichtshof:

Seit 27. Februar 2012 behandelt der Verfassungsgerichtshof die Verfassungsklagen gegen die Bettelverbote in Wien und Oberösterreich. Eine Verhandlung zum oberösterreichischen Bettelverbot am Freitag, den 9. März, wird öffentlich sein und findet um 10:30 Uhr im Großen Verhandlungssaal, im VfGH, Judenplatz 11, 1010 Wien statt.

Die BettelLobby will diesen Anlass nutzen, um öffentlichkeitswirksam auf die Dimensionen der Problematik aufmerksam zu machen und unsere Forderung nach Abschaffung aller Bettelverbote zu unterstreichen.

Wir laden euch/Sie ein, möglichst zahlreich zu kommen und diese Aktion zu unterstützen. Wir wollen zeigen, dass das Betteln kein Thema von Einzelnen ist, sondern dass wir uns gemeinsam gegen die Kriminalisierung von BettlerInnen wehren und damit vehement gegen die stärker werdende Gleichgültigkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen vor unserer Haustür auftreten.

Die Forderungen der BettelLobbyWien finden Sie/ ihr hier.

Wenn ihr/Sie also dieses Vorhaben unterstützen wollt/wollen, bitten wir euch/Sie

am 9.März um 9:30 Uhr  zum Judenplatz 

zu kommen und  ein Schild oder Transparent mit den Sprüchen

Ich will nicht betteln aber dürfen muss ich

und/oder

Armut bekämpfen, statt Betteln kriminalisieren

Auch Instrumente wie Trommeln oder auch eigene andere Aktionen sind willkommen. Wichtig ist, dass sich möglichst viele Menschen solidarisch zeigen, daher bitten wir euch /Sie, dieses Mail an möglichst viele potentielle UnterstützerInnen weiterzuleiten.

Da im Frühling auch die Rechtmäßigkeit der Bettelverbote in Wien, Kärnten, der Steiermark und Salzburg verhandelt werden, sehen wir diese Veranstaltung als Auftakt unserer Aktionen gegen Bettelverbote und hoffen auf breite Vernetzung und konzertierte Aktionen mit AktivistInnen aus den Bundesländern. Wir bitten Euch/Sie also um Rückmeldungen, Ideen und weitere Vernetzung!

 

Die BettelLobbyWien verteidigt das Grundrecht auf Betteln, sammelt Informationen über die Situation von BettlerInnen, kämpft gegen Polizei- und Behördenwillkür, gegen Vorurteile, falsche Medienberichte und rassistische Het

Kontakt: bettellobbywien@gmx.at

Presseanfragen: Ferdinand Koller 06507413000 und Marion Thuswald 0650-2579596

Webseite: Ulli Gladik 0650-5034340

https://bettellobbywien.wordpress.com/

Bettelverbot: Was die Stadtwache darf und was nicht

Das Bettelverbot und die Stadtwache

Die Kompetenzen der Stadtwache gehen eigentlich nicht über jene „normaler“ BürgerInnen hinaus. Sie dürfen ermahnen, anzeigen und bei einer Straftat ertappte Personen festhalten. Das Bettelverbot schafft aber eine neue Situation. Seit Juli 2011 ist „organisiertes“ und „aufdringliches“ Betteln in OÖ verboten. Die Stadtwache exekutiert dieses Gesetz. Für diesen einen Aufgabenbereich erweitern sich die Befugnisse des Ordnungsdienstes gravierend.

Grundsätzlich darf die Stadtwache in Fällen von „organisierter“ oder „aufdringlicher“ Bettelei nach dem OÖ. Polizeistrafgesetz:

  • Anhalten zur Feststellung der Identität einer Person
  • Ermahnungen aussprechen
  • Geld und Gegenstände beschlagnahmen
  • Festnehmen

Diese auf den ersten Blick umfassenden Befugnisse dürfen von den MitarbeiterInnen der Stadtwache jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen angewendet werden:

Ermahnungen können nur ausgesprochen werden, wenn eine geringfügige Verwaltungsübertretung bereits begangen wurde und die Ermahnung erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.

Beschlagnahme ist nur bei „Gefahr im Verzug“ und nur bei Gegenständen zulässig, für die gesetzlich der „Verfall“ als Strafe vorgesehen ist, also Geld und Gegenstände, die durch unerlaubte Bettelei erworben wurden. „Gefahr im Verzug“ ist nur dann gegeben, wenn für den Fall der Nichtbeschlagnahme die Fortsetzung der strafbaren Handlung wahrscheinlich ist. Oder wenn verhindert werden soll, dass Gegenstände, für die der Verfall als Strafe vorgesehen ist, dem Zugriff der Behörde entzogen werden sollen. Wenn überhaupt dürfen also nur das erbettelte Geld oder erbettelte Gegenstände beschlagnahmt werden. Über die beschlagnahmten Gegenstände ist dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen.

Eine Festnahme durch die Stadtwache ist nur dann zulässig, wenn

  • die Polizei nicht rasch genug einschreiten kann
  • jemand auf frischer Tat ertappt wird und unbekannt ist, sich nicht ausweist und seine Identität auch sonst nicht sofort feststellbar ist
  • wenn der Verdacht besteht, dass sich die Person der Strafverfolgung zu entziehen sucht oder trotz Abmahnung einfach mit der strafbaren Handlung weitermacht

Wer sich also ausweisen kann oder nach Abmahnung das „aufdringliche Betteln“ einstellt, kann nicht festgenommen werden.

Organstrafverfügungen darf die Stadtwache nicht ausstellen, da diese im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion (wie in Linz der Fall) nur von dieser selbst verhängt werden dürfen.

Ein Einschreiten im Rahmen des Bettelverbots bringt aber auch Pflichten mit sich:

  • Bedienstete des Ordnungsdienstes müssen Dienstabzeichen und Dienstausweis mit sich führen und auf Verlangen vorweisen. Ein Register mit Name, Dienstnummer, Dienstantrittsdatum und Befugnissen liegt beim Magistrat auf und ist für alle BürgerInnen einsehbar.

Darüber hinaus werden die MitarbeiterInnen der Stadtwache bei der Durchsetzung des Bettelverbots zu BeamtInnen im Sinne des Strafgesetzbuches. So gilt eine Körperverletzung an ihnen automatisch als „schwere Körperverletzung“. Sie unterliegen aber auch der Amtsverschwiegenheit und können wegen Amtsmissbrauch oder Geschenkannahme belangt werden. Außerdem sind sie verpflichtet das OÖ Antidiskriminierungsgesetz einzuhalten. Jedes diskriminierende Verhalten bezüglich ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Orientierung wie z.B. abfällige Bemerkungen, Beschimpfungen, Gesten usw. sind von Seiten des Ordnungsdienstes zu unterlassen. Ansonsten kann gerichtlich auf Schadenersatz geklagt werden.

All diese Rechte und Pflichten gelten aber ausschließlich bei einem Einschreiten nach dem Bettelverbot, bei allen anderen Aufgaben haben die Bediensteten der Stadtwache nicht mehr Kompetenzen als „normale“ BürgerInnen auch.

Dieser Text wurde von Giro und Christopher Frank geschrieben.

Stadtwache gegen BettlerInnen?

Ein Blog-Eintrag von Giro übernommen aus dem sehr empfehlenswerten KUPF-Blog:

Derzeit wird im Linzer Gemeinderat heftig über den Zuständigkeitsbereich des Ordnungsdienstes gestritten. Anlass ist das vom Landtag beschlossene Bettelverbot. Es stellt den Gemeinden frei, eigene Sicherheitsorgane mit der Exekution des Gesetzes zu betrauen. Die Formulierung läßt aber offenbar zwei Rechtsauffassungen zu.

FPÖ, ÖVP, Bezirksverwaltungsamt und die städtischen JuristInnen vertreten die Meinung, dass die Stadt, da sie das Gesetz kontrollieren muss und weil sie über Institutionen wie den Ordnungsdienst verfügt, diese als besondere Aufsichtsorgane bestellen muss. SPÖ und Grüne wiederum meinen, dass die Stadt das Gesetz zwar kontrollieren muss, aber nicht zwangsläufig durch den Ordnungsdienst.

Bezirksverwaltungsdirektorin Dr. Steininger wird in der Zeitung „Österreich“ vom 10. Juni mit der Aussage zitiert, wonach sie dem Ordnungsdienst die Ermächtigung zur Kontrolle erteilen werde. Eine Weisung von Sicherheitsstadtrat Wimmer hat es bislang nicht gegeben. Ein von den Grünen eingebrachter Antrag, der die Exekution des Verbots durch den Ordnungsdienst ausdrücklich untersagt, wurde von der SPÖ nicht unterstützt – aus juristischen Gründen, wie sie sagt. Bald soll es Gespräche zwischen Stadt und Land über die Intention des Gesetzes geben. Soweit der aktuelle Stand.

Der Konflikt war anscheinend vorprogrammiert. Das Bettelverbot wurde von vielen als schlampig und unklar kritisiert, was sich nun zu bestätigen scheint. Das Gesetz erlaubt Einzelnen das Betteln ausdrücklich, verboten ist organisiertes und aggressives Betteln. Somit richtet es sich ganz klar gegen ausländische BettlerInnen. Aus SPÖ-Kreisen hört man, dass der Ordnungsdienst sowieso nicht in der Lage sein wird, den Nachweis für organisiertes Betteln zu bringen und die Betrauung desselben somit wirkungslos bleibt. Deshalb wird es wohl keine Weisung des Bürgermeisters geben.

Hintergrund des für viele KritikerInnen unverständlichen Verhaltens der Sozialdemokratie ist ein strategisches Dilemma, das sich durch viele Bereiche roter Politik zieht. Die Funktionärsschicht ist durchwegs gegen das Bettelverbot, so wie sie eigentlich auch gegen die Stadtwache ist. Ihre potentiellen WählerInnen hingegen befürworten beides mehrheitlich. Deshalb sind beide Themen äußerst unangenehm und ein direktes Vorgehen für die Partei nicht günstig.

Am 4. Juli tritt das Gesetz in Kraft und sollte es die Stadtwache exekutieren, werden ihr wohl viele Menschen dabei auf die Finger schauen. Spannend wird jedenfalls die Verfassungsklage von SPÖ und Grünen auf Landesebene, an der gerade gebastelt wird.

Bettellobby OÖ kritisiert ab 5. Juli wirksames Bettelverbot und ÖVP-Scharfmacherpolitik

Morgen tritt das von zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen kritisierte Bettelverbot in Kraft. Die Argumente dagegen sind vielfältig und liegen alle auf dem Tisch. Sie reichen von grundsätzlichen sozialpolitischen Überlegungen bis hin zu verfassungsrechtlichen Bedenken.
Heute veranstaltete die ÖVP eine Pressekonferenz mit dem bezeichnenden Titel „Die Stadtwache im Kampf gegen Bettlerbanden in Linz – Neues Oö. Polizeistrafgesetz ab 5. Juli in Kraft“.

Die Gesetzesänderung verbietet künftig organisiertes und aggressives Betteln. Nach dem Willen von ÖVP und FPÖ soll der Ordnungsdienst der Stadt Linz dieses Verbot künftig exekutieren. In einer Diskussion der OÖN und der Grünen am 3. März nahm Polizeidirektor Walter Widholm klar dazu Stellung. Der oberste Linzer Polizist – der das Gesetz für unnötig hält – verwies in der Diskussion darauf, dass es schon für erfahrene Polizeibeamte kaum möglich ist, den Nachweis einer Bettlerorganisation zu erbringen. Völlig undenkbar erschien ihm, dass eine Truppe wie der Ordnungsdienst auch nur einen solchen Nachweis ermitteln könnte. Widholm damals: „Wir sind skeptisch und besorgt. Es ist vorgesehen, dass die Mitarbeiter auch ein Festhalterecht bekommen. Da wird in das Grundrecht der persönlichen Freiheit eingegriffen.“ (OÖN, 4. 3.2011)

Wir als BettelLobby OÖ teilen diese Ansicht und befürchten, dass die Betrauung des Ordnungsdienstes zu willkürlichen Wegweisungen und Schikanen führen könnte. Gerade in letzter Zeit wurden mehrere mutmaßliche Verfehlungen von Ordnungsdienstbeamten gemeldet. Die kurze und oberflächliche Ausbildung der Beamten qualifiziert sie keinesfalls für den sensiblen Umgang mit einer derart komplizierten Materie. Die Tonalität der VP-Pressekonferenz zeigt deutlich, dass es den Rechtsparteien in erster Linie um billige Stimmungsmache gegen sichtbare Armut geht. Der künstlich erzeugte und bisher nicht belegte „Mythos Bettelmafia“ muss auch diesmal für die Gewinnung von politischem Kleingeld herhalten. Und all das auf dem Rücken der Schwächsten.

Presseaussendung als PDF

Presseaussendung als PDF

„Natasha“ Filmabend und Diskussion zum Thema Betteln

Mittwoch 29. Juni 2011, 20.00 Uhr
Moviemento-Kino Linz, Saal 2
mit: Ulli Gladik, Regisseurin von „Natasha“

Am 4. Juli 2011 tritt in Oberösterreich eine Novelle des Polizeistrafgesetzes in Kraft. Dieses beinhaltet ein verschärftes Bettelverbot. In Oberösterreich haben die Grünen und die SPÖ im Oö. Landtag eine Verfassungsklage gegen dieses Bettelverbot eingebracht.

Der Umgang mit der sogenannten ,,Bettlerfrage“ ist vorrangig geprägt von negativen Vorurteilen. Kriminalisierung, Verdrängung und Verbote prägen die aktuelle Diskussion. Viele der Berichte davon sind allerdings unhinterfragte Mythen und Rechtfertigungen. Auch in Linz.

Der Film ,,Natascha“ blickt hinter die Kulissen. Er eröffnet Perspektiven, anders über die Bettlerfrage zu denken! Eine höchst notwendige Diskussion, nicht zuletzt in der Friedensstadt Linz. Natasha lebt in einer kleinen Stadt in der Nähe von Sofia/Bulgarien. Um ihre Familie zu ernähren, fährt sie seit drei Jahren mehrmals jährlich nach Österreich um zu betteln. Ulli Gladik, Kamerafrau und Regisseurin in Personalunion, begleitete Natasha und ihre Familie im Zeitraum von fast zwei Jahren. Der Film zeigt Natashas Alltag als Bettlerin in Österreich und die Lebensumstände in ihrer Heimat.

Eintritt frei! – Platzkarten können bei den Grünen Linz (Tel. (0732) 73 94 44 bzw. linz@gruene.at) bestellt werden.

Eine Veranstaltung der Grünen Linz, dem Grünen Klub im Oö. Landtag und der Grünen Bildungswerkstatt OÖ.