Weitreichendes Urteil: Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat die Beschwerde einer rumänischen Bettlerin in Genf gutgeheißen.
Mehr dazu:
Weitreichendes Urteil: Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat die Beschwerde einer rumänischen Bettlerin in Genf gutgeheißen.
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Wir haben ein offenen Brief eines Kupfermuckn Redakteurs an die Linzer Politik erhalten, den wir gerne veröffentlichen:
Liebe KollegInnen in der Redaktion! (Liebe Lesende!)
Die Politik schlägt schon manchmal seltsame Blüten. Das kann/muss man zu manchen, ja leider gar nicht so wenigen Vorhaben unserer neuen schwarz-blauen Bundesregierung sagen und …
… man muss es auch über das eine oder andere Projekt der Stadt Linz – mit einem roten Bürgermeister und unter Beteiligung der Blauen in der Stadtregierung – sagen.
Erst letztens ist mir da wieder was untergekommen, eine – mit Verlaub gesagt – menschenverachtende Aktion, eine Schnaps-Idee, wenn ich ehrlich sein soll, eine Aktion, die wohl hauptsächlich in den Kompetenzbereich des Herrn Hein (FPÖ) und seines Parteikollegen Vize-Bürgermeister Detlef Wimmer fällt, eine Aktion, die in ihrer Tragweite an Zynismus wenig zu wünschen übrig lässt (sofern Zynismus überhaupt wünschenswert sein kann).
(Eigentlich würde ich/möchte ich der Bettellobby empfehlen, in dieser Sache die Stadt Linz wegen Menschenrechts-Widrigkeit zu verklagen, ich kann mir durchaus vorstellen, dass eine solche Klage erfolgreich sein kann.)
Also, was habe ich gesehen ?
Und warum dui i mi do goa so „echauffiern“ ?In Linz bei der U-Bahn-Station Unionkreuzung hängen überall Schilder herum, auf denen – sehr deutlich, mit Piktogrammen – zwei Dinge verboten werden, verboten im ganzen Areal der weitläufigen U-Bahn-Station samt großer Passage.
Was ist verboten ?
Und jetzt kommt‘s:
Verboten ist „Rauchen“ und „Betteln“.
D.h. in einem Atemzug wird hier das Rauchen und das Betteln verboten.
Da stellen sich schon große Fragen:
Kann man wirklich „das Rauchen“ und „das Betteln“ auf eine Stufe stellen und reflexartig sagen: „Beides ist verboten.“ … in einem Atemzug … ???
ÖVP und FPÖ fordern in Linz, dass der Ordnungsdienst BettlerInnen künftig auch in zivil kontrollieren dürfen soll. Um das zu diskutieren hat das Infomagazin FROzine auf Radio FRO Thomas Diesenreiter von der Bettellobby OÖ und Michaela Haunold von der Caritas OÖ zu einem Studiogespräch geladen, das ihr hier nachhören könnt. Außerdem geht es allgemein um die Situation der BettlerInnen in Linz und die Auswirkungen des sektoralen Bettelverbots.
Und hier gibt es ein kurzes Telefoninterview mit Landespolizeidirektor-Stv. Erwin Fuchs aus der Sendung.
Elisabeth Hussl ist Aktivistin der Bettellobby Tirol und setzt sich für die Rechte von Notreisenden ein. Wir haben sie zur aktuellen Lage in Tirol befragt.
Im November 2013 hat die Tiroler Landesregierung das generelle Bettelverbot abgeschafft. Wie ist die gesetzliche Lage in Tirol heute?
Das sogenannte stille Betteln ist nun grundsätzlich erlaubt, praktisch aber nur schwer möglich, denn die Verbote gehen sehr weit. Verboten sind sogenanntes aufdringliches und aggressives Betteln sowie gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln. Auch Betteln unter aktiver Mitwirkung von Kindern bis zum 14. Geburtstag ist strafbar. Der Strafrahmen beläuft sich auf bis zu 5.000 Euro oder zwei Wochen Ersatzfreiheitsstrafe.
Wo halten sich Notreisende in Tirol vor allem auf?
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Der steigende Druck auf Bürgermeister Luger scheint zumindest ein kleines Einlenken zu bringen: Die Bettellobby OÖ begrüßt ausdrücklich das Vorhaben, neben Wirtschaft und Polizei erstmals auch Sozialinitiativen zu Gesprächen einzuladen. Die Initiative fordert aber einen offenen Diskussionsprozess, ein Abrüsten der Sprache und lehnt weiter die Einführung eines totalen Bettelverbots in der Innenstadt strikt ab.
Der Existenzkampf der Notreisenden hat sich durch das gesellschaftliche Klima, die Flüchtlingskrise, die Bettelverbote, die Brandanschläge und eine weitere Verschlechterung in der Heimat zugespitzt und führt auch in Linz zu immer mehr Verzweiflung, die sich in aufdringlicheren Formen des Bettelns äußern können. Solche Formen der Nötigung lehnt die Bettellobby OÖ klar ab. Aber wenn Vernunft und nicht Zynismus die treibende Kraft hinter politischen Entscheidungen sein soll, dann ist eine weitere Verschärfung das genaue Gegenteil und wird die Probleme weiter verschärfen und verlagern. Es ist nicht leicht, nachhaltige Lösungen zu finden, aber wenn man das nicht mal anstrebt wird man es auch nicht schaffen. Die Bettellobby OÖ erwartet von der Politik, dass sie sich anstrengt und den sozialen Herausforderungen begegnet, anstatt einen Schnellschuss nach dem anderen zu setzen und die Lage damit für alle Beteiligten weiter zu verschlechtern.
Michael Hämmerle ist Sozialarbeiter und leitet die Beratungsstelle Kaplan Bonetti in Dornbirn. Zudem koordiniert er eine seit etwas mehr als einem Jahr bestehende Arbeitsgruppe „Notreisende“ der ARGE Wohnungslosenhilfe, einem Vernetzungsgremium aller Vorarlberger Wohnungslosenhilfseinrichtungen.
Im Ländle geht es gerade rund, was das Betteln betrifft. Was ist los?
MH: Die aktuelle Politik im Land und den Gemeinden setzt fast ausschließlich auf Vertreibung. Sie ist überzeugt, dass notreisenden Menschen nur in der Herkunftsregion geholfen werden kann. Manche Gemeinden haben kleinere Geldbeträge für Sozialprojekte in den Herkunftsstädten bereitgestellt. In weiterer Folge wurden Zeltlager zwangsweise abgebrochen, es werden Zugtickets nach Rumänien bzw. Italien bezahlt, es gibt die Androhung von zwangsweiser Kindesabnahme, falls sie nicht wieder heimreisen sollten und es wird nach wie vor sehr hart und unverhältnismäßig gestraft. Mehrere Städte diskutieren Campier-Verordnungen und sektorale Bettelverbote oder haben diese schon umgesetzt, wie zum Beispiel Dornbirn. Im Landtagsausschuss wurde zudem beschlossen, das Betteln mit Kindern generell unter Strafe zu stellen. Bisher war die strafbare Handlung an die Mitwirkung des Kindes gebunden. Gleichzeitig wurde die Fachhochschule Vorarlberg beauftragt in einer Studie die Lebenswelt der Notreisenden zu erforschen. Wir erhoffen uns davon wichtige Schritte in Richtung einer sozialpolitischen Diskussion, weg vom Sicherheitsthema hin zu pragmatischen Lösungen.
Stilles Betteln ist ein verfassungsmäßig garantiertes Recht. Oberösterreich könnte aber einen Weg gefunden haben, es zu verweigern.
Seit April hat Oberösterreich eine eigene Datenbank für BettlerInnen. Darin können laut Landesregierung ab sofort alle bettelnden Menschen mit ihren persönlichen Daten und einem Foto erfasst werden, egal ob sie eine erlaubte oder eine unerlaubte Form des Bettelns ausüben. Mit der Datenbank sollen sogenannte „gewerbliche“ BettlerInnen identifiziert und überführt werden. „Gewerbliches Betteln“ liegt laut Begleittext des Gesetzes unter anderem dann vor, „wenn das Betteln geplant, regelmäßig, also wiederholt oder in Wiederholungsabsicht“ betrieben wird, auch wenn es sich dabei um stilles und somit legales Betteln handelt. Wird das Gesetz wirklich so angewendet, hätte Oberösterreich de facto etwas durchgesetzt, was der Verfassungsgerichtshof in anderen Bundesländern bislang immer aufgehoben hat: ein absolutes Bettelverbot und damit ein wirksames Instrument zur Verdrängung von osteuropäischen Armutsreisenden. Das verschärfte Bettelverbot könnte der traurige Höhepunkt einer jahrelangen Entwicklung sein, in der der Spielraum für legales Betteln sukzessive eingeschränkt wurde. Die Maßnahmen richten sich gezielt gegen Menschen aus Osteuropa, die auf der Suche nach Arbeit hierher kommen, aber meist keine andere Möglichkeit haben, als zu betteln. Es ist eine Art „negativer Standortwettbewerb“ im Gange, in dem die größeren Städte versuchen, die Rahmenbedingungen für Armutsreisende immer unattraktiver zu gestalten – in der Hoffnung, sie dadurch fernzuhalten. Denn ihre Anwesenheit wird als störend empfunden, konfrontieren sie doch die Bevölkerung mit einer Art von Armut, die bei uns längst in Vergessenheit geraten ist.
Heinz Schoibl ist freiberuflicher Sozialpsychologe aus Salzburg und hat mit der Studie „Notreisende und Bettel-MigrantInnen in Salzburg“ eine der ersten Untersuchungen zum Thema vorgelegt. Für das Projekt „Auf Augenhöhe“ hat er Notreisende in Salzburg portraitiert, wie hier zu sehen. Wir haben ihn zur aktuellen Lage in Salzburg befragt.
Seit Anfang Juni gibt es ein sektorales Bettelverbot in großen Teilen der Salzburger Innenstadt. Welche Formen von Betteln sind genau verboten?
HS: Im innerstädtischen Bereich rund um die Getreidegasse, die beiden zentralen Brücken und im Kommunalfriedhof gilt während der Geschäftszeiten ein dauerhaftes totales Bettelverbot, das auch das stille Betteln unter Strafe stellt. Temporäre Bettelverbote gibt es zudem für die Wochenmärkte am Mirabellplatz sowie am Gelände der Salzburg Mitte.
Wie wirkt sich das Verbot bislang auf die Lage der Armutsreisenden aus?
HS: Die Auswirkungen auf die bettelnden Notreisenden sind bis dato eher bescheiden und liegen eher auf der emotionalen Ebene der Verunsicherung, der Angst vor Vertreibung sowie dem Bewusstsein, dass sie nicht willkommen sind.
Wie viele Menschen sind davon betroffen und wo kommen sie her?
Der österreichische Presserat hat die oberösterreichische Kronenzeitung wegen ihrer Berichterstattung zum Bettelthema eine Rüge ausgesprochen. Die Kampagne der Krone war ein Auslöser für die Verschärfung des Sammlungsgesetzes im Juli, dass dieser Tage nun in Gesetz tritt.
Hier ein Ausschnitt der betroffenen Titelseiten, zusammengestellt von den MedienbeobachterInnen bei Kobuk:
Hier der Brief im Vollformat:
Bettellobby Oberösterreich wird den Betroffenen auch weiter eine Stimme geben dig this.
Die Stadt Salzburg zeigt, dass es auch anders geht und schafft eine Basisversorgung für Armutsreisende. Zudem einen Verhaltenskodex und – was in Oberösterreich bis heute verweigert wird – eine direkte Ansprechperson für die Betroffenen.
Heute wird der Landtag mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ die Verschärfungen des Bettelverbotes beschließen. Trotz der Proteste von Sozial- und Hilfsorganisationen und dem Widerstand aus der Zivilgesellschaft wird nun „gewerbliches Betteln“ untersagt und den Gemeinden eine weitreichende Handhabe gegeben, um das Betteln im öffentlichen Raum nach Belieben zu unterbinden.
Da die Betroffenen keine Chance haben, nicht als „organisiert“ oder „gewerblich“ zu gelten, kommt die Gesetzesänderung einem totalen Bettelverbot für die Armutsreisenden aus Mittel- und Osteuropa gleich. Die Argumentationslinie „anständige“ BettlerInnen schützen zu wollen, kann man angesichts dessen nur als zynisch bezeichnen. Dieses Gesetz kann daher nur als unvernünftig, unsozial und unchristlich bezeichnet werden.
Der offene Brief, der stellvertretend für alle politisch Verantwortlichen an LH Pühringer, LHStv. Entholzer und Bgm. Luger geschickt wurde und bis heute von mehr als 50 Organisationen und 400 Einzelpersonen unterschrieben wurde, blieb bis zum Zeitpunkt dieser Aussendung unbeantwortet. Doch der offensichtliche Plan, das Thema vor dem kommenden Wahljahr vom Tisch zu bekommen, wird nicht aufgehen.
Gestärkt durch die vielfältige Unterstützung wird die Bettellobby Oberösterreich als eine von vielen Initiativen weiter gegen die Bettelgesetzgebung mobil machen, Aufklärungsarbeit leisten und die Auswirkungen penibel dokumentieren. Wir werden den Betroffenen noch stärker als bisher eine Stimme geben und die Politik auch in Zukunft damit konfrontieren.